JA zur 13. AHV-Rente (Initiative)

JA zur 13. AHV-Rente

Gefräsige Teuerung - 13. AHV-Rente absolut nötig

Steigende Mieten und Krankenkassenprämien, höhere Preise für Lebensmittel: Die Kaufkraft der Rentnerinnen und Rentner gerät immer stärker unter Druck. Gemäss den Angaben der Gewerkschaften frisst die Teuerung den Pensionierten bis Ende 2024 eine ganze Monatsrente weg. Menschen mit mittleren und tiefen Einkommen sind besonders hart betroffen. Eine 13. AHV-Rente kompensiert diesen Kaufkraftverlust und ist absolut notwendig. Am 3. März stimmen wir über die entsprechende Initiative ab.

Die älteste Rentnerinnen- und Rentnerorganisation der Schweiz, die AVIVO, sagt es laut und deutlich: Unsere alten Menschen haben ein Leben der Arbeit, der Familie und dem sozialen Zusammenleben gewidmet. Für ihren wesentlichen Beitrag zum sozialen Frieden unseres Landes hätten sie Anerkennung und Unterstützung verdient.

Eigentlich. Leider aber befinden sich heute viele ältere Menschen in einer prekären finanziellen Lage: Entgegen den Bestimmungen der Bundesverfassung reicht die AHV nicht aus, um ihren existenziellen Grundbedarf angemessen zu decken. Rund 300 000 Menschen in der Schweiz leben gar unterhalb der Armutsgrenze! Die Einführung einer 13. AHV-Rente könnte Linderung verschaffen und ist in den Augen der AVIVO unabdingbar.

Die 1948 gegründete «Gewerkschaft» der Rentnerinnen und Rentner betont, dass die Abstimmung vom 3. März eine historische Gelegenheit bietet, ja zu sagen zu einer echten Verbesserung der Lebensqualität älterer Menschen. Einer Verbesserung, die es insbesondere auch vielen Frauen ermöglicht, ihre letzten Jahre mit der Würde und dem Respekt zu verbringen, die sie verdienen.

Frauen besonders betroffen
«Es ist kein Geheimnis, dass Frauen, egal wie fleissig sie sind, eine viel niedrigere Rente erhalten als Männer», meint dazu die Vizepräsident von AVIVO Schweiz, Annette Zimmermann aus Genf. Hausarbeit, Kinderbetreuung, Bildung oder die Unterstützung älterer Eltern würden nicht berücksichtigt, da die Frauen dafür ja nicht angestellt werden. Auch würden die schlecht bezahlten Berufe in unserer Gesellschaft hauptsächlich von Frauen ausgeübt: Kassiererinnen, Pflegeassistentinnen, Coiffeusen, Hilfsarbeiterinnen, Packerinnen, Kassierinnen, Verkäuferinnen, Rezeptionistinnen, Kosmetikerinnen usw. «Darüber hinaus», so Annette Zimmermann, «wird ihre berufliche Laufband in vielen Fällen unterbrochen. Die Geburt von Kindern, die Mutterschaft, die Pflege von Angehörigen usw.! Das hat zur Folge, dass manche Frauen bis zum Erreichen des Rentenalters weder genug eingezahlt haben, um die maximale AHV-Rente zu erhalten, noch über das Sparkapital verfügen, das für eine angemessene Rente aus der zweiten Säule ausreichen würde.»

Eine 13. Rente befreite daher viele Frauen von einigen der quälenden Sorgen, die ihnen das Alter verderben, meint Frau Zimmermann. «Es ist wichtig, die Situation der Rentnerinnen in unserem Land zu verbessern: Diese 13. Rente ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.»

Die berühmte Giesskanne
Dem Vorschlag, eine 13. AHV-Rente auszuschütten, wird etwa vorgeworfen, er unterscheide nicht zwischen jenen, die einen solchen Zustupf nötig haben und jenen, die gut ohne ihn auskommen könnten. Dabei wird etwa der Begriff der Giesskanne bemüht: Alle «Pflänzchen» würden etwas abbekommen, sowohl jene, die es dürstet wie jene, die gut gesättigt sind. Natürlich wird das Bild der Giesskanne immer nur dann gemalt, wenn es um die Besserstellung von sozial Benachteiligten geht. Wenn zum Beispiel die Unternehmenssteuer gesenkt werden soll, bleibt die Giesskanne im Regal.

Wie dem auch sei: Die Behauptung der Gegner einer 13. Rente, sie würde an Reich und Arm ausgerichtet, stimmt, meint Martin Rothenbühler, Präsident der AVIVO Bern. «Ein Millionär hat die 13. Rente nicht nötig. Aber er hat auf seinem Einkommen immer schön AHVBeträge einbezahlt. Also hat auch er das Recht auf eine 13. Rente. Nur gibt es bei der Rente einen Maximalbetrag für alle. Die Rente ist nach oben begrenzt. Die AHV-Abgaben aber nicht. Der Millionär zahlt sehr viel höhere Beiträge an die AHV als die wenig Verdienenden. Das ist gewollt so.»

Ungerecht? Nein, sagt Rothenbühler. «Es ist ein wenig Solidarität der Reichen mit den weniger Reichen. So wie in der obligatorischen Krankenversicherung. Dort zahlen die Gesunden auch für die Kranken. Oder in der Arbeits losenversicherung: Dort zahlen die Erwerbstätigen auch für die Arbeitslosen. Die Solidarität ist der Kitt einer Gesellschaft. Sonst droht die Gesellschaft auseinander zu fallen.» Und er fügt an, was Bundesrat Hanspeter Tschudi vor Jahren dazu einmal treffend meinte: «Die Reichen brauchen die AHV nicht, aber die AHV braucht die Reichen.»

Ruin der AHV?
«Überalterung der Gesellschaft», «Missverhältnis zwischen der Zahl der Erwerbstätigen und der Zahl der Rentenbezügerinnen und -bezüger» – diesen Schreckgespenstern setzt Martin Rothenbühler wirtschaftliche «Binsenwahrheiten» gegenüber, wie etwa die seit Jahren steigende Stundenproduktivität, das Verhältnis also zwischen Arbeitsaufwand und Arbeitsertrag: «Im Jahr 2022 waren das 99 Franken Bruttowertschöpfung pro geleistete Arbeitsstunde», unterstreicht Rothenbühler. «Diese Bruttowertschöpfung hat innert 30 Jahren um 44% zugenommen.» Und gleicht damit den schrumpfenden Anteil der aktiven Arbeitsbevölkerung an der Gesamtbevölkerung, sprich «Überalterung», weitgehend aus, wie selbst die bürgerlichen Vordenker von Avenir Suisse bestätigen. Was trotz negativem Wachstumsbeitrag der demographischen Entwicklung unseres Landes ebenfalls ansteigt, ist die Lohnsumme, betont Rothenbühler. «Für die Einnahmen der AHV ist die gesamte Lohnsumme schweizweit, über alle Branchen, privat und öffentlich, Selbständigerwerbende und Arbeitnehmende zusammen massgebend. Sie betrug 2022 rund 403 Milliarden Franken und bildet die Grundlage für die Beiträge an die AHV, welche Angestellte und Arbeitgeber hälftig einzubezahlen haben. Diese totale Lohnsumme ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten konstant gestiegen, nämlich durchschnittlich pro Jahr um mehr als 1%.»

Gegenüber einzelnen Gegnern, die den finanziellen Ruin der AHV prophezeien und falsche Argumente verbreiten, betont AVIVO Schweiz denn auch die Solidität der AHV-Finanzen. «Bis 2030 werden die Reserven mehr als komfortabel sein», schreibt sie dazu in einem Communiqué. Und selbst wenn sich langfristig eine Beitragserhöhung als notwendig erweisen würde, wäre sie zu verkraften: Laut AVIVO macht eine allfällige und zu gleichen Teilen von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden getragene Erhöhung von 0.8% bei einem Lohn von Fr. 4 000.– gerade mal Fr. 16.– pro Monat aus und Fr. 40.– bei einem Lohn von Fr. 10 000.–. «Darüber hinaus», so die AVIVO, «sind bei Bedarf andere Wege möglich – Steuern auf Finanztransaktionen, Erhöhung des Bundesbeitrags, leichte Erhöhung der Mehrwertsteuer usw.»

Und die Ergänzungsleistungen?
Könnte das unbestrittene und durch Zahlen ausreichend belegte Problem der Altersarmut und des viel zu tiefen Renteneinkommens nicht mit den Ergänzungsleistungen gelöst werden? «Unseres Erachtens ist das keine nachhaltige Lösung», meint die ehemalige Regierungsrätin und Präsidentin der AVIVO Waadt, Béatrice Métraux. Ergänzungsleistungen würden Rentnerinnen und Rentnern nur vorübergehend helfen, wenn die Renten nicht ausreichen, um die Lebenshaltungskosten zu decken, und ihre Finanzierung sei immer wieder in Frage gestellt, zum Beispiel, weil die Kassen von Bund und Kanton leer sind.

Frau Métraux sieht aber noch ein weiteres Problem: «Ergänzungsleistungen zu beantragen, kommt einem Hindernislauf gleich. Das Verfahren ist lang und manchmal auch schlicht entwürdigend. Viele der Anspruchsberechtigten resignieren vor diesen Schwierigkeiten, andere kennen sich nicht aus, wissen zu wenig, wie sie vorgehen sollen. Manchmal verzichten sie auch aus Scham oder aus Angst, ihre Aufenthaltserlaubnis zu verlieren.»

Dass Ergänzungsleistungen zur AHV trotz Berechtigung oft nicht in Anspruch genommen werden, belegt die ehemalige Regierungsrätin mit einer Erhebung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Gemäss dieser Erhebung würden etwa 230 000 Menschen ab 65 Jahren, die zu Hause leben, rechnerisch Anspruch auf Leistungen haben, ohne sie zu beanspruchen – darunter auch etwa die Hälfte aller Menschen, die im Jahr 2022 von Armut betroffen waren. «Das System der Ergänzungsleistungen funktioniert daher heute sehr schlecht für die weniger glücklichen Mitglieder unserer Gesellschaft», folgert Frau Métraux. Auch dem zweiten Argument der Gegner, das die 13. Rente und die Ergänzungsleistungen gegeneinander auszuspielen versucht, kann Béatrice Métraux nichts abgewinnen. «Die Gegner warnen, die Anspruchsberechtigung könnte durch eine 13. AHV-Rente verloren gehen. Die Initiative ist jedoch in dieser Hinsicht sehr klar formuliert: Sie sieht eine Erhöhung der Renten auch für Personen vor, die Ergänzungsleistungen beziehen, so dass sich ihre finanzielle Situation ebenfalls verbessert, ohne dass die Höhe dieser Leistungen beeinträchtigt wird.» Die Rentnerinnen und Rentner von heute haben die Schweiz zum Wohlstand von heute geführt, betont Béatrice Métraux. «Mehr als 300 000 von ihnen kommen nicht über die Runden. Können wir angesichts dieser Ungerechtigkeit tatenlos zusehen?» Für AVIVO Schweiz steht die Antwort fest: Der 13. AHV-Rente muss zugestimmt werden.

Martin Schwander
Vizepräsident AVIVO Bern